KI-generierte Bewerbungsunterlagen: Effizienz mit Einschränkungen
Künstliche Intelligenz (KI) revolutioniert den Bewerbungsprozess, indem sie die Erstellung von Lebensläufen und Anschreiben automatisiert und erheblich beschleunigt. Bewerber:innen können mithilfe von Tools wie ChatGPT innerhalb weniger Minuten professionell formulierte Dokumente generieren, die sich an gängigen Bewerbungsstandards orientieren. Ein wesentlicher Vorteil der KI-gestützten Bewerbungserstellung ist die enorme Zeitersparnis. Statt jede Bewerbung manuell zu verfassen, können Bewerber:innen ihre Unterlagen schnell und effizient an unterschiedliche Stellenanzeigen anpassen. Zudem kann die KI gezielt Schlüsselwörter integrieren, um die Chancen zu erhöhen, von sogenannten Applicant Tracking Systems (ATS) erfasst und positiv bewertet zu werden. Da viele Unternehmen solche automatisierten Bewerbungsfilter nutzen, kann eine strategische Optimierung durch KI die Sichtbarkeit einer Bewerbung erheblich verbessern.
Trotz dieser Effizienzsteigerung gibt es jedoch klare Grenzen und Risiken, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Ein häufiges Problem ist die mangelnde Individualität KI-generierter Bewerbungen. Standardisierte Formulierungen und allgemein gehaltene Phrasen lassen die Bewerbung oft austauschbar wirken und tragen wenig dazu bei, die Persönlichkeit des Bewerbers oder der Bewerberin zum Ausdruck zu bringen. Ein weiteres Risiko liegt in der Fehleranfälligkeit der KI. Obwohl die Technologie in der Lage ist, sprachlich korrekte und gut strukturierte Texte zu generieren, können unpassende oder falsche Informationen eingefügt werden. So kann es passieren, dass die KI berufliche Qualifikationen fehlerhaft interpretiert oder Angaben übernimmt, die nicht der Realität entsprechen. Wer auf eine KI-gestützte Bewerbung setzt, sollte daher unbedingt eine sorgfältige Nachbearbeitung vornehmen.
Für die Unternehmen bedeutet der Einsatz von KI durch die Bewerber:innen eine neue Herausforderung – und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht: Die leichte Erstellung führt zu einer Flut an Bewerbungen, die oberflächlich professionell wirken, denen es jedoch oft an Tiefe und Individualität mangelt. Das ist mit dem Problem verbunden, dass Überprüfung von KIgenerierten Inhalten wertvolle Ressourcen bindet. Recruiter:innen müssen geschult werden, um generische Formulierungen und fehlende persönliche Bezüge zu erkennen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass Bewerber:innen Fähigkeiten oder Erfahrungen übertreiben oder sogar erfinden. „Eine Studie zeigt, dass 92 % der Personalverantwortlichen Manipulationen durch KI als große Herausforderung betrachten. Für Betriebe ist es somit dringend erforderlich, Wege zu finden, um die tatsächliche Eignung von Bewerber:innen sowie die Authentizität der eingereichten Unterlagen zuverlässig zu überprüfen“, betont Andreas Zelger, Teamleiter für Berufs- und Personalberatung am Bildungsconsulting der WK Tirol.
Strategien zur Überprüfung der tatsächlichen Eignung
Um die Qualität und Authentizität von Bewerbungen einzuschätzen, können Unternehmen folgende Maßnahmen ergreifen:
1. Einsatz von Eignungstests: Standardisierte Tests ermöglichen es, die kognitiven Fähigkeiten, das fachliche Wissen sowie wichtige Soft Skills wie Kommunikations- und Teamfähigkeit der Bewerber:innen objektiv zu messen. Darüber hinaus bieten virtuelle Tests und Assessment-Center praxisnahe Einblicke in die tatsächlichen Kompetenzen. Sie versetzen Kandidat:innen in realitätsnahe Arbeitssituationen, sodass deren Leistung unter berufsnahen Bedingungen bewertet werden kann.
2. Bewerbungsgespräche mit Fokus auf Tiefe: In Interviews können Recruiter: innen gezielt Rückfragen zu den spezifischen beruflichen Erfahrungen stellen, um die Echtheit der gemachten Angaben eingehend zu überprüfen. So lassen sich Unstimmigkeiten zwischen den im Lebenslauf oder Anschreiben dargestellten Informationen und den tatsächlichen Erfahrungen der Kandidat:innen aufdecken und klären.
3. Schulung der Recruiter:innen: Personalverantwortliche sollten regelmäßig geschult werden, um typische Muster in KI-generierten Texten zu erkennen. Das umfasst die Fähigkeit, auf Anzeichen wie eine übermäßige Standardisierung, fehlende persönliche Details oder eine unnatürlich häufige Verwendung von Schlüsselwörtern zu achten – Indikatoren, die darauf hindeuten, dass ein Text nicht individuell verfasst wurde.
4. Biografische Interviews: Diese Methode bietet einen intensiven Einblick in das Verhalten und die Handlungsweisen der Bewerber:innen in früheren beruflichen Situationen. Durch eine detaillierte Analyse lässt sich überprüfen, ob die im Lebenslauf gemachten Angaben mit der tatsächlichen Berufserfahrung übereinstimmen.
Die zunehmende Nutzung von KI-Tools im Bewerbungsprozess erfordert ein Umdenken in der Personalauswahl. „Eine Empfehlung für Unternehmen ist, Rekrutierungsstrategien anzupassen und auf eine Kombination aus technologischer Unterstützung und eignungsdiagnostischen Verfahren zu setzen. So lassen sich nicht nur die geeignetsten Mitarbeiter:innen identifizieren, sondern auch die Integrität des Auswahlprozesses wahren“, erklärt Andreas Zelger.
Personaleignungsdiagnostik sichert Objektivität in der Personalauswahl
Um die Eignung von Kandidat:innen unabhängig von subjektiven Eindrücken zu bewerten, bietet sich der Einsatz von eignungsdiagnostischen Verfahren an. Diese Methoden sind wissenschaftlich fundiert und helfen dabei, Fehlbesetzungen zu minimieren. Effektive Verfahren der Eignungsdiagnostik sind psychologische Fragebögen und Tests. Sie messen kognitive Fähigkeiten wie logisches Denken, Auffassungsvermögen, Lernund Verständnisfähigkeit. Darüber hinaus erfassen sie auch zentrale Persönlichkeitsmerkmale wie Motivation, Arbeitseinstellung und Arbeitshaltung. Dadurch entsteht ein ganzheitliches Bild der Eignung einer Person im Hinblick auf die Anforderungen der zu besetzenden Stelle.
Die Anwendung eignungsdiagnostischer Verfahren bringt drei klare Vorteile für die Betriebe: Sie sichern die Objektivität, sorgen für Passgenauigkeit und stellen Transparenz sicher. Objektivität bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Verfahren unabhängig von der subjektiven Wahrnehmung des Beurteilers sind. Die Passgenauigkeit stellt sicher, dass die Kompetenzen der Kandidat:innen mit den Anforderungen der Stelle übereinstimmen. Und das Kriterium der Transparenz führt dazu, dass Ergebnisse mit den Bewerber:innen geteilt werden können, was Vertrauen schafft.
Fazit
Die Zukunft der Personalauswahl liegt in einer klugen Verknüpfung aus Technologie und wissenschaftlich fundierter Diagnostik. Während KI-gestützte Tools den Bewerbungsprozess effizienter gestalten können, darf ihre Aussagekraft nicht überschätzt werden. „Unternehmen, die ihre Rekrutierungsstrategien anpassen und moderne Methoden der Eignungsdiagnostik nutzen, können langfristig von besseren Personalentscheidungen profitieren“, unterstreicht Andreas Zelger. Und davon profitieren in Folge beide Seiten: Bewerber:innen erhalten eine faire Beurteilung auf Basis objektiver Kriterien, während Unternehmen gezielt jene Mitarbeiter:innen auswählen können, die am besten zu ihren Anforderungen passen.
Quelle: Den Originalartikel finden Sie in der Tiroler Wirtschaft auf Seite 40.