Das People & Culture HR-Forum Tirol, eine Kooperationsveranstaltung von Wirtschaftskammer Tirol, Industriellenvereinigung, AMS Tirol und der Lebensraum Tirol Gruppe, hat sich innerhalb kurzer Zeit zu einer der spannendsten Plattformen für moderne Personalarbeit entwickelt. Die diesjährige Ausgabe des Forums (siehe Bericht in der TW 08) befasste sich mit topaktuellen Themen wie digitalem Recruiting, resilienter Führung und KI-Anwendungen. Unter den zahlreichen Formaten hob sich der Vortrag „Mindful Leadership“ dadurch ab, dass er nicht in erster Linie Tools und Techniken versprach, sondern Führungspersönlichkeit und Bewusstsein ins Zentrum rückte. In einer Zeit, in der Teams unter Druck stehen, Komplexität zunimmt und schnelle Entscheidungen gefragt sind, setzte der Vortrag ein bewusstes Zeichen: Führung braucht nicht nur Leistung, sondern auch Präsenz und Achtsamkeit. Die Teilnehmer:innen des Forums erlebten, wie innere Klarheit als Fundament für nachhaltige Führung wirkt – und wie dieser Ansatz gerade für KMU entscheidend sein kann, um Mitarbeitende zu motivieren, Belastungen zu managen und langfristig leistungsfähig zu bleiben.
Leadership – oft unterschätzt, aber entscheidend
Führung ist weit mehr als Anweisung verteilen oder Entscheidungen treffen. In Großunternehmen wie in Kleinbetrieben ist Leadership der entscheidende Erfolgsfaktor: Wer führt, formt das Betriebsklima, beeinflusst Loyalität und entscheidet über Agilität in unsicheren Zeiten. Dennoch wird Leadership in vielen Betrieben, besonders in KMU, eher „nebenbei“ betrieben: Die Inhaber:innen oder Führungskräfte sind mit operativen Aufgaben befasst, fachlich gefordert und haben meist wenig Zeit für Reflexion oder strategische Führung. Doch gerade dort, wo die Strukturen schlanker sind, kann Leadership unmittelbar wirken. Wenn bei kleinen und mittleren Unternehmen Führung versäumt wird, zeigt sich das oft in höherer Fluktuation, mangelnder Leistungsbereitschaft oder sinkender Innovationskraft. Gute Führung heißt, Vertrauen zu schaffen, Ziele zu vermitteln und zugleich Freiräume zu erlauben. Leadership, das nur hierarchisch greift, reicht nicht mehr. Ein moderner Führungsstil braucht emotionale Intelligenz, Selbstreflexion und einen gesunden Verbindungspunkt zur Lebensrealität der Mitarbeitenden. Gerade für KMU gilt: Man muss nicht Berge versetzen – aber man darf nicht den Gipfel vergessen. Achtsame Führung kann hier zum Vorsprung werden: eine Führung, die nicht nur Leistung fordert, sondern Beteiligung und Sinn stiftet. Denn wenn Mitarbeiter spüren, dass sie gesehen werden – in ihren Ideen, Sorgen und Potenzialen – entsteht Motivation, die von innen kommt.
Achtsam führen – konkret und wirksam
Mindful Leadership – das klingt zuerst ein bisschen nach Wellnessprogramm. Doch bei näherer Betrachtung ist es ein erstaunlich konkreter Managementansatz, der gerade in einem unsicheren Umfeld zunehmend Bedeutung gewinnt. Mindful Leadership ist im Kern eine Führungshaltung, die mehr Präsenz, Bewusstheit und Reflexion in den Führungsalltag bringt. Es geht darum, nicht im Autopilot zu funktionieren, sondern bewusst im Moment zu sein. Der Führungsstil verbindet Kopf, Herz und Intuition gleichermaßen und betrachtet Führung nicht nur als Steuerung, sondern als Gestaltung von Kultur. Ein zentrales Motiv: Wer Leistung fordert, muss Sinn bieten. Mindful Leadership setzt dort an, wo Strategie auf Menschen trifft - und erlaubt, dass Wandel nicht nur technisch, sondern kulturell stattfindet. Zentral ist dabei die Selbstwahrnehmung. Wer seine eigenen Muster kennt, kann auch andere besser führen. Achtsamkeit hilft, Emotionen zu erkennen, bevor sie Verhalten bestimmen. Das stärkt Authentizität und Vertrauen – Grundlagen jeder erfolgreichen Führung. Ebenso wichtig ist Empathie. Achtsame Führungskräfte hören nicht nur zu, um zu antworten, sondern um zu verstehen. Das verändert die Kommunikation im Unternehmen nachhaltig: Konflikte werden sachlicher, Gespräche konstruktiver, Zusammenarbeit menschlicher. Teams spüren, wenn ihre Führung präsent ist – und reagieren mit Engagement. Auf den Punkt gebracht: Mindful Leadership bedeutet, sich selbst zu führen, bevor man andere führt. Schon kleine Routinen – kurze Reflexionsmomente, bewusste Pausen oder achtsame Check-ins – genügen, um langfristig Wirkung zu entfalten. Derartige Mikro-Übungen fördern die Konzentration, die Belastbarkeit und eine Kultur des bewussten Handelns. Führungskräfte können damit klarer entscheiden, besser zuhören und gelassener mit Stress umgehen. Mindful Leadership ist kein Konzept für Seminarräume, sondern eine Haltung, die sich im Gespräch, im Meeting oder in der Krisensituation zeigt.
Wirkung in der Praxis
Wer seine Werte kennt, kann sie besser vertreten – auch in schwierigen Entscheidungen. Unternehmen, die Mindful Leadership gezielt fördern, berichten von stärkerer Teamverbundenheit, geringerer Fluktuation und einer spürbar gesünderen Arbeitsatmosphäre. Mindful Leadership wirkt aber nicht nur auf individueller Ebene, sondern verändert das „Betriebssystem“ – etwa indem Werte, Haltung und Sinnstiftung deutlicher werden. Trainingsprogramme verknüpfen deshalb Achtsamkeitsübungen mit Reflexion, Verhaltenstraining und Coaching – eine Kombination, die Wirkung erzeugt. Dieses Zusammenspiel von Führung, Kultur und Bewusstsein macht Mindful Leadership für KMU attraktiv – weil es auf das Potenzial in kleineren Strukturen abzielt, rasch wirksam ist und nicht erst Jahre braucht. Mindful Leadership ist kein Ersatz für Strategie – sondern ihr Ergänzungsmodul. Strategie gibt die Richtung vor, Achtsamkeit sorgt dafür, dass alle mitgehen können. In Zeiten permanenter Veränderung kann dieser Ansatz zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden: weniger Aktionismus, mehr Fokus; weniger Reiz-Reaktion, mehr bewusste Gestaltung.
Fazit – Eine Haltung mit Zukunft
In Zeiten hoher Unsicherheit und steigender Anforderungen reicht es nicht, allein fachlich stark zu führen. Mindful Leadership schafft den Raum, in dem Menschen leistungsbereit bleiben, Innovation möglich wird und Unternehmen resilient agieren können. Für Tirols Wirtschaft bedeutet das: Führung, die nicht nur auf Effizienz zielt, sondern auf Bewusstsein und Vertrauen, wird zum Erfolgsfaktor. Wer Achtsamkeit in die Führung integriert, stärkt nicht nur sich selbst, sondern auch das Fundament, auf dem sein Unternehmen wächst.
Quelle: Den Originalartikel finden Sie in der Tiroler Wirtschaft auf Seite 50.
INTERVIEW
Mindful Leadership – Mit Klarheit und Sinn führen
Experte Friedhelm Boschert spricht im Interview über Chancen und Möglichkeiten modernen Führens.
Wie definieren Sie „Mindful Leadership” – und was unterscheidet es von „normaler“ bzw. klassischer Führung?
Mindful Leadership heißt: erst sich selbst führen – und dann die anderen. Klassische Führung schaut nach außen, achtsame Führung beginnt innen. Es geht um Präsenz statt Dauerreaktion, um Klarheit statt Kontrolle. Wer sich selbst ehrlich kennt und spürt, kann andere wirklich führen.
Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, wenn Führungskräfte ihre Präsenz und Achtsamkeit in den Alltag integrieren?
Das verändert sofort die Atmosphäre. Plötzlich wird weniger gehetzt, mehr zugehört – Konflikte lösen sich, weil jemand wirklich da ist. Führung wird ruhiger, fokussierter, und dabei viel wirkungsvoller. Teams erleben ihre Führungskräfte dann als klarer und menschlicher.
Welche konkreten Routinen oder Praktiken empfehlen Sie für Führungskräfte, die neu in dieses Thema einsteigen?
Beginnen Sie klein: drei bewusste Atemzüge vor dem nächsten Meeting. Und beim dritten Atemzug sich fragen: „Was ist JETZT wirklich wichtig?“ Kein Handy beim Zuhören. Und JEDEN Tag fünf Minuten Stille gefolgt von 5 Minuten Selbstreflektion mit Fragen wie: „Wie arbeite ich gerade? Was mache ich da?“ Das klingt simpel – aber wer’s regelmäßig tut, spürt sehr schnell: Präsenz ist trainierbar. Und im Mitarbeiter-Gespräch den Kollegen immer wieder mit neuen Augen betrachten – da hält lebendig und man stößt auf Potenziale.
Wie kann Mindful Leadership gerade in KMU gelingen, in denen Ressourcen und Zeit oft begrenzt sind?
Achtsamkeit kostet nichts – und spart am Ende Zeit und Energie. Wer präsent ist, entscheidet klarer, kommuniziert direkter und vermeidet Reibungsverluste. In kleinen Unternehmen wirkt das besonders gut und schnell, weil das neue Führungsverhalten oft unmittelbarer spürbar und kulturprägend ist.
Wie reagieren Teams auf eine Führungskraft, die achtsamer führt – insbesondere in Drucksituationen?
Teams spüren sofort, wenn jemand im Sturm ruhig bleibt. Der gerade in Krisen notwendige klare Kopf ist in der alleinigen Verantwortung der Führungskraft, nur von ihr/ihm, das kann ihm/ihr keiner abnehmen. Und das senkt die Stresspegel und steigert das Vertrauen. Wenn die Führungskraft authentisch nicht in Panik gerät, muss es das Team auch nicht – und genau das macht sie gemeinsam stark.
Welche Missverständnisse oder Stolperfallen haben Sie in Ihrer Praxis beobachtet?
Das größte Missverständnis: Achtsamkeit sei Wellness oder Esoterik. Nein, sie ist schlicht und einfach mentale Fitness. Es geht nicht um Räucherstäbchen, sondern um Fokus, emotionale Intelligenz und Selbststeuerung. Und: Wer andere überzeugen will, sollte sie nicht bekehren wollen – sondern vorleben.
In welchem Verhältnis stehen Mindful Leadership und Strategie bzw. Performance-Ziele?
Achtsamkeit ersetzt keine Strategie – sie macht sie besser. Wer klarer denkt, sieht mehr Optionen und trifft weniger Fehlentscheidungen. Kurz gesagt: Mindful Leadership ist die beste Risikosteuerung, die es gibt.
Wie messen Sie den Erfolg von achtsamer Führung – also: Welche Indikatoren zeigen, dass sich etwas verändert hat?
Erfolgreiche Achtsamkeit hört man nicht, man spürt sie. Die Kommunikation wird ehrlicher, die Fluktuation sinkt, das Klima entspannt sich. Und wenn plötzlich wieder gelacht wird – dann hat sich etwas bewegt. In unseren Trainings wird übrigens jedes der mehrwöchigen „Achtsam führen“ - Programme mit Vorher-Nachher-Meßmethoden gemessen. Bei einer Sparkasse z.B. in 6 Wochen +30% mehr Fokussierungsfähigkeit, +26% mehr Unterstützung für Innovation und +21% größere Stress-Resilienz.
Wie kann man skeptischen oder sogar ablehnenden Führungskräften die Idee von Mindful Leadership nahebringen?
Nicht mit Argumenten, sondern mit eigener Erfahrung. Ein paar Minuten bewusste Stille wirken überzeugender als hundert PowerPoint-Folien. Ausprobieren: Innehalten mit 3 bewussten Atemzügen vor jeder Sitzung, vor jedem Gespräch, vor jedem Telefonat. Viele merken erst dann, wie wohltuend es ist, den Autopiloten auszuschalten. Und so selbst im Hamsterrad beginnen, wieder selbst zu entscheiden. Einfach mal einen Tag lang ausprobieren!
Gibt es Branchen, in denen Mindful Leadership besonders gut funktioniert – oder besonders schwierig ist?
Überall, wo Menschen Verantwortung tragen – also überall. In Hochrisikobranchen wie Banken, Energie, Verkehr oder Luftfahrt ist Achtsamkeit im Grunde essentiell. Als aufmerksamkeitsbasiertes Risikomanagement sogar überlebenswichtig. Schwierig wird’s nur dort, wo Hektik noch immer als Heldentum gilt.
Warum ist Mindful Leadership gerade in Zeiten von Krisen und Fachkräftemangel so wichtig?
Krisen zeigen, wer wirklich Haltung hat. Achtsame Führung gibt Orientierung, wenn der Kompass verrücktspielt. Menschen folgen heute keiner Lautstärke mehr – sie folgen innerer Stabilität. Das macht den Mindful Leader so attraktiv, sowohl im Recruiting wie auch im Halten der Top-Performer.
Wenn Sie einer angehenden Führungskraft nur einen Tipp mitgeben könnten – was wäre das?
Innehalten, bevor du handelst. Betrachte jeden Menschen, jede Situation stets so, als würdest du ihn/sie zum ersten Male sehen. So behältst du den Fokus auf die Potenziale – beim Mitarbeiter wie auch beim Kunden.